In Zeiten des Wohnungsmangels waren die Wohnungsgenossenschaften immer starke Partner der Kommunen. Ob im ausgehenden 19. Jahrhundert, nach dem Ersten Weltkrieg oder beim Wiederaufbau ab 1948 – die Genossenschaften haben mit umfangreichen Bauprogrammen zigtausende von Wohnungen errichtet und ihren Mitgliedern dadurch dauerhaft sicheres Wohnen ermöglicht. Mit dem Ende der Wohnungsgemeinnützigkeit 1989 und der politischen Devise „Deutschland ist gebaut“ verlagerte sich die Aktivität der meisten Wohnungsgenossenschaften zu intensiven Instandhaltungs- und Modernisierungsprogrammen für den Wohnungsbestand. Hinzu kamen ab der Jahrtausendwende verstärkt Investitionen in die energetische Sanierung. Wohnungsneubau fand vielerorts nicht mehr statt, die Bauabteilungen wurden heruntergefahren.

Die Situation hat sich in den letzten zehn Jahren grundlegend geändert. Bedingt durch die angespannten Wohnungsmärkte in vielen Kommunen sind nicht nur zahlreiche „junge“ und bauaktive Genossenschaften gegründet worden. Auch viele Traditionsgenossenschaften haben den Neubaumotor wieder angeworfen. Kein Wunder, so manche Genossenschaft kann sich vor Anfragen, kaum retten. Die Wartelisten mit Mitgliedern, die sich für eine Wohnung bewerben sind lang. Und gar nicht selten bitten Wohnungsgenossenschaften auf ihren Internetseiten von Bewerbungen abzusehen. Der Druck wieder Wohnungen zu bauen steigt demnach.

Die bayerischen Genossenschaften im VdW Bayern haben 2020 knapp 1.000 Wohnungen errichtet und planen für 2021 weitere 1.100 Wohnungen. „Damit sind die Genossenschaften ein wichtiger und verlässlicher Akteur für das bezahlbare Wohnen in Bayern“, sagt Verbandsdirektor Hans Maier.
Beim Wohnungsbau gehen die Genossenschaften verschiedene Wege: Neuer Wohnraum wird durch Ersatzneubauten und Dachaufstockungen auf eigenen Grundstücken geschaffen, freifinanziert und öffentlich-gefördert gebaut oder entsteht in Kooperation mit anderen Genossenschaften.

Hoher Bedarf für bezahlbares Wohnen in Bayreuth

„Mit unseren Neubauprojekten wollen wir einen Gegenpol zum freien Wohnungsmarkt in Bayreuth schaffen. Durch eine Mischung aus freifinanzierten und öffentlich-geförderten Wohnungen bei unseren Baumaßnahmen können wir die Mieten wirtschaftlich kalkulieren“, sagt Markus-Patrick Keil, Vorstand der GBW Bayreuth. In Bayreuth gebe es einen hohen Bedarf an bezahlbaren Wohnungen und gleichzeitig viele Menschen mit schmalem Geldbeutel wie Rentner, Beamte oder auch Alleinerziehende. Deshalb wird die Genossenschaft bei dem aktuell geplanten Projekt Stuckberg-Terrassen mit 36 Wohnungen ein Drittel EOF-Wohnungen bauen. Einen Unterschied zu den freifinanzierten Wohnungen gibt es dabei weder bei den Grundrissen noch bei der Ausstattung, betont der Vorstand.

Die GBW Bayreuth hat in den Jahren 2017 bis 2021 im Rahmen der Quartiersentwicklung UH6 in zwei Bauabschnitten insgesamt 95 Wohnungen errichtet. Im Februar 2021 wurden die letzten der 16 Reihenhäuser bezogen. Auch bei den freifinanzierten Wohnungen versucht die GBW Bayreuth die magische Hürde von 10,00 Euro pro Quadratmeter nicht zu überschreiten. Deshalb waren die letzten Baumaßnahmen Ersatzneubauten. Im Jahr 2020 hat sich die Genossenschaft gemeinsam mit dem Bauverein Bayreuth und der GEWOG Bayreuth in einem Interessenbekundungsverfahren für das Areal Rathaus II beworben, eines der raren städtischen Grundstücke in Bayreuth mit einer Fläche von rund 1,1 Hektar. Jetzt hofft Vorstand Keil auf den Zuschlag für die sozial orientierten Wohnungsunternehmen und ein weiteres Projekt für die GBW Bayreuth.

Allerdings bereiten ihm die steigenden Baukosten Sorgen.
„In den letzten vier Jahren hatten wir Preissteigerungen von 20 bis 25 Prozent. Das macht eine Vermietung unter 10,00 Euro fast nicht möglich“, bedauert Keil. Die große Frage sei, wie sich die Situation weiterentwickelt sagt er mit Blick auf das geplante Areal Rathaus II: „Können wir als Genossenschaft dann überhaupt noch für unsere Mitglieder bezahlbare Wohnungen bauen?“ Vor diesem Hintergrund sieht er eine Kontinuität bei der Wohnraumförderung und eine Verbesserung der Förderbedingungen als unabdingbar. Außerdem hofft der Vorstand, dass die Bauordnungsämter vor Ort mutiger werden und die novellierte Bayerische Bauordnung engagiert umsetzen.

Grundstücksakquise ist ein Marathonlauf und kein Sprint

Auf den Bau von öffentlich-geförderten Wohnungen setzt auch die GWG Wasserburg eG. Im Gespräch schildert Vorstand Martin Hintermayr die Ursache für diese Unternehmensstrategie. Da sei zum einen der in der Satzung verankerte Auftrag, Wohnraum zu sozial verträglichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Daraus abgeleitet ergibt sich das zweite Motiv: „Für uns ist die EOF-Förderung ein probates Mittel, um Zugang zu Grundstücken zu erhalten“, erläutert der Vorstand. Denn auf dem freien Markt sei es momentan sehr schwierig zu vertretbaren Preisen an Bauland zu kommen und eigene Grundstücke für den Wohnungsbau besitzt die Genossenschaft nicht. Mit dem Modell „öffentlich-geförderter Wohnungsbau“ habe die Genossenschaft ein Unterscheidungs-
merkmal zu Mitbewerbern. Das erleichtere den Erwerb von kommunalen Grundstücken. Da die Kommunen oft zu wenige bezahlbare Wohnungen haben, sei die EOF-Förderung eine Art Türöffner, um mit den Kommunen ins Gespräch zu kommen. „Wir sind ein natürlicher Partner der Kommunen“, betont Hintermayr und stehen in verschiedenen Landkreisen mit Kommunen in Kontakt. Gerade mittelgroße Städte ohne eigene Wohnungsbaugesellschaften und größere Bauabteilung sind froh über einen Partner, der Wohnungsbau in ihrem Sinne durchführt und sich anschließend auch um die Vermietung kümmert. Dabei müsse nicht immer ausschließlich gefördert gebaut werden, manchmal entstehe eine Mischung für unterschiedliche Zielgruppen. „Unsere Strategie ist, ein Paket mit den für die Kommunen passenden Bausteinen anzubieten. Das können auch eigentumsfördernde Maßnahmen wie Einheimischenmodelle sein.“

Eine Erschwernis, die in jüngster Zeit vermehrt kommt, sieht der Vorstand beim Thema Erbbaurecht, das vermehrt von den Kommunen gefordert wird. Doch das Erbbaurecht in seiner jetzigen Form sei für die Genossenschaft eher nachteilig. „Wir wollen Grundstücke kaufen und müssen Überzeugungsarbeit leisten, dass diese dann trotzdem im Sinne der Kommune – preisdämpfend – genutzt werden. In diesem Zusammenhang ist die 70-jährige Historie der GWG Wasserburg hilfreich.

Auch Hintermayr hofft vor dem Hintergrund steigender Baukosten und Grundstückspreise auf eine Kontinuität bei der Wohnraumförderung. Ansonsten werde es schwer, bezahlbaren Wohnraum anzubieten.