In seiner Regierungserklärung vom 13. Juni hat Ministerpräsident Dr. Markus Söder die Eckpunkte für den Abbau unnötiger bürokratischer Hemmnisse und für die Beschleunigung privater und staatlicher Initiativen angekündigt. Nun hat der Ministerrat bei seiner Sitzung am 25.06.2024 zentrale Vorhaben dazu auf den Weg gebracht.

Folgende Einzelmaßnahmen in verschiedenen Schwerpunktbereichen wurden beschlossen:

Bauordnungsrecht:

Eine ganze Reihe von Tatbeständen wird erweitert, um Bauvorhaben jeweils bis zu bestimmten, deutlich großzügiger als bisher ausgestalteten Größenklassen verfahrensfrei zu stellen. Dies betrifft:

  • Dachgeschossausbau: Örtliche Bauvorschriften sollen einem Dachgeschossausbau künftig nicht entgegengehalten werden können. Unabhängig von der Verfahrensfreiheit zu beachten bleiben aber die materiell bauplanungsrechtlichen Vorschriften (z. B. Geschossflächenzahl), auf die Bayern mangels Gesetzgebungskompetenz des Landes nicht landesgesetzlich zugreifen kann.
  • Terrassenüberdachungen generell (bisher nur bis 3 m Tiefe)
  • Alle privilegierten Solarenergieanlagen und Sonnenkollektoren (neu)
  • Versorgungseinheiten zu Masten und Antennen bis 30 m³ (bisher 10 m³)
  • sämtliche Biomasselager für den Betrieb von Biogasanlagen (neu – relevant für die Landwirtschaft und erneuerbare Energien)
  • Schwimmbecken generell (bisher nur bis 100 m³)
  • Nicht überdachte Stellplätze sowie sonstige Lager- und Abstellplätze generell (bisher 300 m²)
  • Kinderspielplätze generell (neu)
  • Fahrradabstellanlagen außerhalb von Gebäuden generell (bisher nur bis 50 m²)
  • Ladestationen für Elektrofahrzeuge einschließlich technischer Nebenanlagen generell (bisher nur bis 2,5 m Höhe und 1 m Breite)
  • Kleinwindkraftanlagen bis 15 m (bisher 10 m).

Allgemein werden alle Nutzungsänderungen als verfahrensfreie Bauvorhaben definiert, wenn die neue Nutzung nach den Vorschriften der Baunutzungsverordnung im jeweiligen Plangebiet (also Wohngebiet, Mischgebiet, Gewerbegebiet etc.) allgemein zulässig ist. In einem „reinen Wohngebiet“ etwa können dann Wohngebäude als Anlagen zur Kinderbetreuung umgenutzt werden und umgekehrt.

  • Aufstockung von Gebäuden zur Schaffung von Wohnraum: Wird deutlich erleichtert. Bei einer Aufstockung um ein Geschoss sollen künftig für bestehende Bauteile die Anforderungen der höheren Gebäudeklasse nicht anzuwenden sein.
  • Typengenehmigungen (für serielles bzw. modulares Bauen von Anlagen, die mehrfach in derselben Ausführung errichtet werden sollen): Solche Typengenehmigungen werden künftig unbefristet erteilt, statt bislang für die Dauer von fünf Jahren. Außerdem wird festgelegt, dass auf typengenehmigte Gebäude sog. Ortsgestaltungssatzungen keine Anwendung finden.
  • Die gesetzliche Verpflichtung zur Anlage eines Kinderspielplatzes bei der Errichtung von Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen wird gestrichen und stattdessen in die eigene Entscheidung der Kommunen gestellt.
  • Stellplatzpflicht für Fahrzeuge: Künftig soll das Landesrecht hier zugunsten kommunaler Entscheidung zurückgenommen werden. Dazu wird das Landesrecht (1) das „ob“ einer Stellplatzpflicht anders als bisher gar nicht mehr selbst regeln, sondern es der jeweiligen Kommunen überlassen, eine Stellplatzpflicht durch Satzung zu begründen oder darauf zu verzichten. Lediglich wenn sich die Kommune für eine Stellplatzpflicht entscheidet, dann würde die staatliche Regelung in einem zweiten Schritt (2) das „wie“ regeln, und zwar dahingehend, dass die Kommune nicht beliebig viele, sondern höchstens so viele Stellplätze vorschreiben darf wie staatlich geregelt. Die Kommunen sollen von der staatlich vorgesehenen Zahl an Stellplätzen zwar nach unten, nicht aber nach oben abweichen können.
  • Gemeindliche „Grüngestaltungssatzungen“ soll es künftig nicht mehr geben. Es ist Sache des Eigentümers, wie er seinen Garten gestaltet und wo er welchen Baum oder Strauch pflanzt, nicht Sache des Gemeinderats.
  • Nicht dachparallel installierte Solaranlagen müssen bisher 1,25 m Abstand von anderen Gebäudeteilen halten, damit Feuer nicht auf diese oder Nachbargrundstücke übertragen werden kann. Dieser Mindestabstand wird nun auf 0,50 m verkürzt.
  • Sonderbauten (das sind Bauten, an die verschärfte Anforderungen gestellt werden): Aus dem Katalog der Sonderbauten herausgenommen werden Verkaufsstätten bis 2.000 m² (bisher nur bis 800 m²).
Eckpunkte Vergaberecht:
  • Das Vergaberecht, also die Regeln und Vorschriften, die das Verfahren für die öffentliche Hand beim Einkauf von Gütern und Leistungen vorschreiben, gilt als einer der größten bürokratischen Hemmschuhe im Wirtschaftsverkehr. Wir wollen daher eine umfangreiche Liberalisierung des Vergaberechts auf Landesebene umsetzen.
  • Oberhalb der EU-Schwellenwerte zwingt Europarecht dazu, Verträge öffentlich nach bestimmten Maßgaben auszuschreiben
  • Unterhalb der EU-Schwellenwerte kann und wird aber angesetzt werden. Das soll gerade beim Bauen für erhebliche Beschleunigung sorgen:
  • Künftig sollen in Bayern deutlich erhöhte Wertgrenzen gelten, die insbesondere im Baubereich eine Verzehnfachung der bisherigen Werte darstellen:
  • Stufe 1: Direktauftrag bis 250.000 € für Bauleistungen bzw. bis 100.000 € für alle sonstigen Leistungen (bisherige Grenze bei Direktaufträgen: 25.000 €).
  • Stufe 2: Erleichterte Vergabe bis 1 Mio. € für Bauleistungen bzw. bis zum jeweiligen EU-Schwellenwert, also meist 221.000 €, für alle sonstigen Leistungen.
  • Die neuen, liberaleren Regelungen sollen neben dem Freistaat auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Staats unterstehen, sowie Kommunen gelten.

Die Umsetzung bedarf einer gesetzlichen Regelung, die bereits in Arbeit ist. Inkrafttreten erfolgt voraussichtlich zum 1. Januar 2025.

Der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen begrüßt die schnelle Umsetzung der ersten Eckpunkte aus der Regierungserklärung im Bereich Baurecht

„Die hohen Baukosten sind seit Jahren die größte Bremse für den Wohnungsbau“, erklärt Verbandsdirektor Hans Maier. Zu den wesentlichen Kostentreibern gehören aus Sicht des Verbands die Stellplatzvorgaben. Mit der geplanten Neuregelung liegt es nun in der Hand der Kommunen, auf eine Stellplatzpflicht zu verzichten. „Angesichts von Stellplatzkosten bis zu 50.000 Euro appellieren wir an die kommunalen Entscheidungsträger, diesen Spielraum zu nutzen“, sagt der Verbandsdirektor. Als positiv für den Wohnungsbau beurteilt der Verband außerdem die Entfristung der Typengenehmigungen für das serielle und modulare Bauen sowie die Erleichterung der Aufstockung von Gebäuden und der Dachgeschossausbauten.

„Wohnungsbau braucht Gestaltungsspielraum. Durch den Kabinettsbeschluss erhalten die Wohnungsunternehmen Flexibilität und können mehr nach den Bedürfnissen der Mieterinnen und Mieter bauen“, begrüßt Maier.